Veintiuno

Zufall GmbH

Liebe ehemalige Mitarbeiter, liebe Interessierte Mitbürger,

es dürfte für Sie kein Geheimnis sein, weswegen die heutige Versammlung einberufen wurde. Im Mittelpunkt steht die Schließung unserer traditionsreichen »Zufall GmbH«. Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Mitarbeitern bedanken, die über all die Jahre an den Erfolg der Firma geglaubt haben und für das stetige Wachstum im Bereich unserer Kernkompetenzen gesorgt haben. Vielen Dank nochmal. Ich möchte diese Gelegenheit aber auch nutzen, um ein letztes Mal auf die Geschichte der Zufall GmbH einzugehen, einen Blick zurückwerfen.

Kurz nach dem Ende des zweiten Weltkriegs gegründet, war die Zufall GmbH das Unternehmen eines einzigen Mannes: meines Vaters. Eigentlich hatte die Firma nicht einmal einen Namen. Josef machte es sich zur Aufgabe, Dinge zu erfinden. Ohne sonderliche Spezialisierung erfand er Geräte und Arbeitsprozesse, die zu jener Zeit dringend gebraucht wurden. Ich erspare Ihnen die allseits bekannten Innovationen. Sie sind Ihnen sicherlich nur zu bekannt.

In den Siebzigern hatte Josef das Unternehmen soweit ausgebaut, dass nun 30 Angestellte mit innovativen Ideen und Prozessen zum Weiterkommen des Unternehmens beisteuern konnten. »Consulting« – dieses Wort gab es damals noch gar nicht – wurde zu einer unserer Basiskompetenzen. Während sich eine Hälfte der Belegschaft mit weiteren Erfindungen und Prozessen beschäftigte, ging die andere Hälfte hinein in die Betriebe und Dienstleister, um dort Fachwissen und Expertise zu vermitteln. Auf diesem geräumigen Pfad entwickelte sich die Firma außerordentlich gut und konnte im letzten Jahr 330 Mitarbeiter beschäftigen.

Wie mir Josef im Vertrauen schon vor einigen Jahren mitteilte, ist die Firma in einer Richtung sehr stark eingeengt; künstlich eingeengt. Er hat dafür gesorgt, dass alle Prozesse und Erfindungen durch ihn abgesichert sind. Das bedeutet: Alle wichtigen Dokumente, Finanzzugriffe und Geräte sind auf bestimmte Weise geschützt und nur mit seiner Authorisierung einsehbar. Bisher hat er diesen speziellen Prozess äußerst subtil betreiben können, ohne damit nennenswerte Einschränkungen für Mitarbeiter oder Kunden zu verursachen. Damit ist es jedoch seit wenigen Wochen vorbei.

Josef ist vor wenigen Wochen gestorben. Noch am Tag vor seinem plötzlichen und unerwarteten Tod lud er mich im Vertrauen zu einem höchst dringenden und wichtigen Termin ein, den er durch seinen Tod nicht mehr wahrnehmen konnte.

Wie ich am nächsten Tag feststellen musste, sind alle Zugänge zu Josefs und unserem Wissen perfekt abgeschottet. Es ist mir ein Rätsel, wie die ganze Zeit entgehen konnte, wie Josef sich für seinen Todesfall abgesichert hat. Nun ist es leider zu spät und die Untersuchungen der besten Spezialisten, die man für Geld engagieren kann, hat in den letzten Wochen keinerlei Möglichkeiten ergeben, wieder an die Daten zu gelangen. Der einzige Weg, den ich momentan noch sehe, ist ein Zufallsfund, eine vielleicht absurde Idee; irgendetwas Abwegiges.

Ja, Sie haben richtig gehört: Wenn Ihnen zufällig etwas einfällt, womit wir Josefs Strategie aufspüren und umgehen können, lassen Sie es mich wissen. Der Erbringer einer Lösung wird finanziell sehr wohlwollend entlohnt.

Bis jedoch eine Lösung gefunden ist, bleibt mir nichts anderes übrig, als die Firma – vorerst – zu schließen. Für weitere Informationen kommen Sie bitte im Anschluss zu mir. Und bitte verlieren Sie nicht die Hoffnung! Noch kann sich alles zum Guten wenden!

Ich danke Ihnen.